Siegrid – ein Silberstreif am Horizont
Es hat sich viel getan im letzten Jahr, Thomas ist wieder verheiratet.
Nach allem, was ich mit ihm erlebt habe, hielt ich ihn eigentlich für schwer bis gar nicht vermittelbar. Aber das ist eben das Praktische an den Engelsseminaren, an denen er so gerne teilnimmt, dort ist die Dichte an potentiellen Seelenverwandten ziemlich hoch, und zu allem Überfluss begünstigt ein für Männer sehr vorteilhaftes Geschlechterverhältnis von ungefähr 1 : 9 Amors Auswahl für den Liebespfeil.
Total Match
Aber Spaß beiseite, diesmal hat er wirklich einen Sechser im Lotto gelandet.
Soweit ich das aus der Distanz beurteilen kann, wird er von Siegrid, seiner neuen Frau, vollumfänglich versorgt. Ob finanziell, kulinarisch, körperlich oder emotional, es bleiben anscheinend keine Wünsche offen. Siegrid wiederum scheint den ganzen Allroundservice nicht einmal anstrengend zu finden, sondern blüht förmlich auf. Laut ihrem WhatsApp-Profil ist sie “sehr sehr glücklich” und zahlreiche Kuss-Emojis unterstreichen das.
Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die beiden das Match des Jahrhunderts sind.
Ein Loch wird endlich gestopft
Wenn ich es mir genau überlege, dann gönne ich ihm das von Herzen, und zwar nicht trotz, sondern wegen all dem, was passiert ist.
Sein Verhalten, mit dem er mir und vor allem auch Katja das Leben über weite Strecken buchstäblich zur Hölle gemacht hat, ist ja „nur“ ein Produkt von schlimmer, unverarbeiteter, emotionaler Vernachlässigung in seiner Kindheit. Wenn er nun tatsächlich jemand gefunden hat, der dieses Loch in seiner Seele stopfen kann, dann ist das wirklich ein Segen, und zwar für alle Beteiligten.
Lotti erobert Katjas Herz
Denn auch für Katja hat sich die Situation um hundertachtzig Grad geändert. Das liegt zum einen daran, dass Siegrid auch Katja ganz in ihr Verwöhnprogramm mit einschließt und ihr jeden Wunsch von den Augen abliest.
Außerdem hat sie nicht nur zwei erwachsene Söhne im Schlepptau, die Katja toll findet, sondern auch die kleine Lotti, eine flauschige Hundedame. Ich hatte schon eine Vorstellung davon, wie heilsam Tiere für die menschliche Seele sein können, aber das, was hier gerade mit Katja passiert, toppt alles. Lotti hat Katjas Herz im Sturm erobert und urplötzlich sind auch die Übernachtungsängste bei Thomas wie weggezaubert.
„Weißt du Mama, jetzt, wo Lotti und Siegrid da sind, fühle ich mich sicher“, sagte sie eines Tages und packte gut gelaunt ihren Schlafanzug ein.
Anlass zur Hoffnung?
Somit könnte Sigrid, wie ein Silberstreif am Horizont, Anlass zu der Hoffnung geben, dass all unsere Probleme einer düsteren Vergangenheit angehören.
Thomas hat ja nun endlich das, was er sich so lange gewünscht hat. Katja übernachtet alle 14 Tage bei ihm und in den Ferien sogar öfter. Er könnte also einen Luftsprung machen und die neue Ära bin in die Zehenspitzen genießen.
Katja ist nicht nur von ihren Ängsten befreit, sondern fiebert den Wochenenden in Dießen förmlich entgegen. „Die Lotti ist so viel mehr als nur ein Hund!“, sagte sie letzten Sonntagabend, „Sie ist wie ein Baby, wenn sie in meinen Armen einschläft. Ich vermisse sie jetzt schon“. Diese Freude und dieses gute Gefühl müssten absolut ansteckend auf die Beziehung zu ihrem Vater wirken.
Alleinerziehend als Sonntagsspaziergang
Auch für mich könnte ein ganz neues Zeitalter anbrechen. Ich müsste mir keine Sorgen mehr machen, dass es Katja irgendwie schlecht gehen könnte.
Natürlich wäre ich immer noch alleine mit der ganzen Palette an Verantwortung, erzieherisch, schulisch, finanziell, gesundheitlich, und vieles mehr, aber ich hätte immer wieder Zeiten der Regeneration dazwischen. Das macht einen riesengroßen Unterschied.
Damit würde sich für mich, im Vergleich zu der bisherigen Rund-um-die-Uhr-Geschichte, alleinerziehend sein wie ein Sonntagsspaziergang anfühlen.
Es bleibt spannend
Diejenigen, die „Mama zwischen Sorge und Recht” kennen, ahnen schon, weshalb ich das alles im Konjunktiv schreibe: Um es mal vorsichtig auszudrücken, mit Thomas ist es eben nie einfach, sondern bleibt immer spannend.
Fortsetzung folgt … 🙂
Hier geht es zur Vorgeschichte:
“Mama zwischen Sorge und Recht – Die aberwitzigen Erfahrungen einer Mutter in Sachen Umgang”