… denn es reicht für uns alle
44% der Alleinerziehenden sind von Armut betroffen, und damit auch deren Kinder.
Weil das ein unglaubliches Armutszeugnis für uns als Gesellschaft ist, dem politisch dringend etwas entgegengesetzt werden müsste, die Verantwortlichen aber überhaupt nicht in die Pötte kommen, veranstalten tatkräftige Aktivistinnen heute eine Demo in Berlin. Unter dem Motto „Gemeinsam gegen Kinderarmt – Es reicht für uns alle“ wollen sie die Aufmerksamkeit der Menschen und Medien auf das Elend richten, das es zu beseitigen gilt.
An Essen und kleinen Extras mangelt es nicht
Bei dem großen Thema Kinderarmut ist mir eine Spielart besonders wichtig, die auch bei AEs besonders häufig ist, obwohl die betroffenen Kinder rein finanziell gesehen gar nicht als arm gelten. Sie müssen nicht hungern, haben genügend anzuziehen, können ab und zu ins Kino, zum Pizza oder zum Eis essen gehen und auch ein Urlaub ist kein Ding der Unmöglichkeit. Sie können also im Großen und Ganzen am ganz normalen sozialen Leben teilhaben und müssen sich auch nicht permanent schämen.
Arm an Zeit und Bindung
Und doch sind sie arm, arm an Zeit mit dem Menschen, der ihnen am nächsten steht. Denn dieser Mensch – in 90% ist das die Mutter, aber es gilt genauso für die 10% der alleinerziehenden Väter – muss 40 Stunden und nicht selten mehr rackern, um diesen Lebensstandard knapp über der Armutsgrenze halten zu können. Deswegen kommen sie spät nach Hause, müssen sich dann um das Abendessen und den Haushalt kümmern, sodass die Zeit knapp und der Kopf nicht wirklich frei dafür ist, was die Sprößlinge den Tag über erlebt haben und was sie gerne erzählen möchten. Jeder, der sich ein bisschen mit Bindung beschäftigt hat weiß, dass dies zu Lasten der psychosozialen Entwicklung geht.
Recht auf Rückkehr in Vollzeit
Wenn nun als einzige politische Lösung für das Armutsrisiko der Anspruch auf Rückkehr in Vollzeittätigkeit nach der Elternzeit anvisiert wird, habe ich ein bisschen Bauchschmerzen. Natürlich ist es ein Gewinn für Frauen, wenn diese Möglichkeit grundsätzlich besteht UND auch die Möglichkeit vorhanden ist, die Kinder in der Zwischenzeit qualitativ gut betreut zu haben, sei es durch den Partner, die Großeltern oder eine gute KiTa oder einen guten Hort.
Aber leider scheitert es bei Alleinerziehenden oft genau an der Möglichkeit der guten Kinderbetreuung, sodass die Vollzeittätigkeit dann auch keine freiwillige Entscheidung, sondern aus purer Not geboren ist.
Viele Baustellen zum Austoben und Bewähren
Die Gründe dafür sind vielfältig, sodass sich für unsere neue Regierung viele Baustellen auftun, an welchen sie sich austoben und bewähren kann.
- Steuerliche Freibeträge für Alleinerziehende deutlich erhöhen
- Abschaffung des Ehegattensplittings
- Gerechte Aufteilung des Kindergeldes
- Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt muss deutlich länger als bis zum 3. Lebensjahr des Kindes gehen!
- Die Beträge der Düsseldorfer Tabelle bedürfen einer dringenden Anpassung nach oben, also an den realen Bedarf.
- Wirksame Maßnahmen gegen die säumigen Unterhaltszahlungen, die nicht in der Staatskasse sondern bei den Alleinerziehenden ankommen, müssen entwickelt werden.
- Abschaffung des Gender Pay Gaps
- Gerechte Bezahlung der sozialen, also der typischen Frauenberufe
- Abschaffung des Gender Care Gaps – siehe #Carearbeitmusssichtbarwerden
- … to be continued
Herzlichen Dank an Notyetaguru, Mama arbeitet, Claire Funke, Katja Zimmermann, Fee Linke & Teresa Buecker für’s Lautwerden!
Carola Fuchs
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